Text von Achim Hackstein
CRM? Was ist das? Und warum in der Leitstelle?
Nicht nur die installierte Technik entscheidet in einer Leitstelle über Einsatzerfolge, sondern vor allem die Arbeit im Team ist mitverantwortlich dafür, ob Einsätze effektiv und immer zum Wohle des oder der Betroffenen abgewickelt werden. Gravierende Veränderungen in der Leitstellenarbeit, wie z.B. die Gabe von Hilfehinweisen im Notrufdialog oder wachsende Leitstellengrößen mit immer mehr Disponenten in einem Betriebsraum, erfordern auch ein Umdenken in den Kommunikationsstrukturen. Es gilt vor allem Kommunikationsstrategien zu etablieren, die die Arbeit im Team strukturieren, den ständigen Informationsaustausch sicherstellen und die optimale Einsatzabwicklung garantieren. Denn es ist eine Tatsache, dass der größte Teil aller (Entscheidungs-) Fehler durch den Menschen verursacht werden.
- Crew: Der Begriff „Crew“ bezeichnet zunächst einmal die Besatzung eines Transportmittels, ist sicher aber auch anwendbar auf das Team in der Leitstelle, ebenso wie in der Medizin.
- Ressource: Ressourcen sind alle Personen, Geräte und Verfahren, die zum Schutz und Wohl des Patienten, in der Leitstelle zur optimalen Abwicklung eines Einsatzes, eingesetzt werden können. Dabei ist die eigene (!) Person ebenso wichtig wie alle Teammitglieder. In diesem Sinne geht CRM über das reine Team Management hinaus.
- Management: Das Management dieser Ressourcen auf hoher kognitiver Ebene unter den Bedingungen eines Zwischen- oder Notfalles wird dann als CRM bezeichnet. Methoden des CRM, unter Routinebedingungen angewandt, tragen zur primären Vermeidung von Zwischenfällen oder unnötiger Stressbelastung bei der Einsatzbearbeitung bei.
Die Arbeit in einer Leitstelle der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben ist bei vielen Einsatzlagen von einem hohen Entscheidungsdruck und einer hohen Entscheidungsdichte geprägt. Die zu treffenden Entscheidungen basieren meist auf einer dünnen Informationsdecke, wobei die Angaben auch noch von einem feuerwehrtechnischen, medizinischen oder polizeilichen Laien per Telefon kommuniziert werden. Kritische und / oder komplexe Situationen treten in der Regel geballt auf. Nach einer Phase der Ruhe wird es plötzlich hektisch, dann flaut das Einsatzaufkommen genauso schnell wieder ab. Aber exakt in den Phasen der Anspannung kommt es auf gezielten Austausch von Informationen im Team an. Ein einzelner Disponent kann heute unmöglich alle Fakten und Abläufe im Kopf haben, aus dem Gedächtnis korrekt reproduzieren und fehlerfrei abwickeln.
Heute gehört die Leitstelle eindeutig in den Bereich der Organisationen, die bei hohem potentiellem Risiko besonders zuverlässig und achtsam handeln müssen, sogenannte Hochsicherheits-Hochrisiko-Organisationen, oft auch als „High Reliability Organisations (HRO)“ bezeichnet. Zu den HRO zählen zum Beispiel auch die Notaufnahme, der OP-Bereich eines Krankenhauses oder Piloten eines Verkehrsflugzeuges. Aus all diesen Bereich ist bekannt, dass bis zu 70% der Fehler auf Probleme im Bereich der „Human Factors“ zurückzuführen sind. Sowohl die Medizin als auch die Luftfahrt haben daraus die Erkenntnis gewonnen, dass die Teamkommunikation maßgeblich am Erfolg oder Misserfolg einer Handlung beteiligt ist und entsprechende Konsequenzen für Ausbildung und regelmäßiges Teamtraining, auch mit Simulationen, gezogen.
Auch wir haben, annehmend dass vorstehende Aussagen auch auf unsere Leitstelle zutreffen, im Jahre 2012 das Simulationstraining in Verbindung mit dem Crew-Ressource-Management eingeführt. Dazu haben wir uns der 15 CRM-Leitsätze nach Rall & Gaba bedient. Die Autoren Rall & Gaba (in Miller 7th Edition 2009 ff) veröffentlichten 15 CRM-Leitsätze die leicht auf die Verhältnisse in einer Leitstelle angepasst werden konnten. Diese Grundsätze sind geeignet, die Teamkommunikation in der Leitstelle sowohl zu trainieren, auszuwerten als auch in der täglichen Einsatzrealität einzusetzen.
CRM Leitsätze (nach Rall & Gaba in Miller 7th Ed. 2009)
- Kenne Deine Arbeitsumgebung (Technik und Organisation)
- Antizipiere und plane voraus
- Fordere Hilfe an – lieber früh als spät
- Übernimm die Führungsrolle oder sei ein gutes Teammitglied mit Beharrlichkeit
- Verteile die Arbeitsbelastung (10-für-10-Prinzip)
- Mobilisiere alle verfügbaren Ressourcen (Personen und Technik)
- Kommuniziere sicher und effektiv – sag was Dich bewegt
- Beachte und verwende alle vorhandenen Informationen
- Verhindere und erkenne Fixierungsfehler
- Habe Zweifel und überprüfe genau (Double check; nie etwas vermuten)
- Verwende Merkhilfen und schlage nach
- Re-evaluiere die Situation immer wieder, wende das 10-für-10-Prinzip an
- Achte auf gute Teamarbeit, andere unterstützen und sich koordinieren
- Lenke Deine Aufmerksamkeit bewusst (Situation Awareness)
- Setze Prioritäten dynamisch
Innerhalb der jährlichen Leitstellenfortbildung führten wir in den Monaten November und Dezember 2012 erstmalig ein „CRM Training“ mit leitstellenspezifischen Ansätzen durch. Das Training erfolgte auf der Basis definierter Szenarien an den ausgelagerten Einsatzleitplätzen in den Datensätzen des Einsatzbereiches, so dass das Arbeitsumfeld aus der täglichen Einsatzpraxis bekannt war.
Oberhalb der Betriebstische wurde eine Videoanlage installiert, die zum einen jeden Disponenten und zum anderen den gesamten Raum aufzeichnete. Das Debriefing erfolgte gemeinsam mit Michael Praetz, Rettungswache Niebüll, nach festgelegten Kriterien. Mittlerweile haben wir alle Schichtführer im Rahmen zweier Kurse auch zum CRM-Trainer qualifizieren können, so dass wir regelmäßig, dienstbegleitend, Simulationen durchführen und die Leitsätze des CRM kontinuierlich vertiefen.
Dies hat zu einer spürbaren Verbesserung der Kommunikation im Leitstellenraum, durchdachteren Einsatzentscheidungen und zu mehr Spaß an der Fortbildung geführt.